
Es ist ein Schauspiel epischen Ausmaßes, das sich in den Glaspalästen Wolfsburgs abspielt, eine Oper in mehreren Akten, mit dramatischem Streichorchester und donnernden Pauken. Volkswagen, Europas größter Autobauer, meldet für das Geschäftsjahr 2024 einen Einbruch des Nettogewinns um satte 30,6 Prozent. Ein Donnerschlag in der Welt der Hochleistungsmaschinen und der Profitmaximierung. Doch inmitten des rauchenden Trümmerfeldes wirtschaftlicher Erschütterung steht einer, der nicht nur ungerührt bleibt, sondern in aristokratischer Ruhe seinen goldenen Kelch hebt: Oliver Blume, der Vorstandsvorsitzende.
Der Aufstieg der Unverdrossenen
Blume, der Mann, dessen Name so unschuldig klingt wie eine Frühlingswiese, hat es geschafft, sich in diesem Jahr der finanziellen Apokalypse eine Gehaltserhöhung von 5,4 Prozent zu sichern. Insgesamt 10,35 Millionen Euro flossen auf seine Konten – inklusive Altersvorsorge und variabler Vergütung. Ein bescheidener Sprung von den kläglichen 9,7 Millionen Euro des Vorjahres. Und das, obwohl er angeblich auf Gehalt verzichtete. Ein Meisterstück der neoliberalen Alchemie: Man verzichtet und bekommt dafür mehr.
Ein bisschen erinnert das an die antiken Philosophen, die ihre Weisheit dadurch erlangten, dass sie sich der Welt entsagten – nur dass Blume sich eben dem Geld entzieht, um mehr davon zu bekommen. So funktioniert modernes Management: Zen-Buddhismus trifft auf Hochfinanz.
Der Untergang der Gewinnmargen
Während die Fließbänder in Wolfsburg langsamer laufen und die Arbeiter sich sorgen, ob die nächste Runde Stellenabbau auch ihre Abteilung trifft, bleibt der Olymp der Vorstandsgehälter unerschütterlich. Der Nettogewinn bricht um 30,6 Prozent ein? Ach was! Die Boni fließen weiter wie der Champagner auf der nächsten Hauptversammlung.
Volkswagen, dieser Koloss auf Rädern, stolpert über die Herausforderungen der E-Mobilität, über die geopolitischen Krisen, die Lieferkettenprobleme, die Inflation und die immer absurdere Bürokratie der EU. Doch der Vorstand bleibt immun gegen die Gesetze der Schwerkraft. Wenn der Gewinn fällt, steigen die Gehälter. Wenn die Mitarbeiter um ihre Jobs bangen, glänzt der Vorstand mit moralischem Verzicht, der sich in blankem Mammon auszahlt.
Die Logik des Systems
Natürlich könnte man jetzt argumentieren, dass der Vorstand für seine „Leistung“ entlohnt wird. Man könnte behaupten, dass Blume mit seiner visionären Führung die Weichen für die Zukunft gestellt hat – für mehr Nachhaltigkeit, für Digitalisierung, für autonomes Fahren. Doch die Realität spricht eine andere Sprache: Volkswagen hinkt Tesla hinterher, verliert Marktanteile in China und stolpert von einem Software-Desaster ins nächste. Und trotzdem wird die Führungsetage belohnt, als hätten sie das Rad neu erfunden.
Es ist die perfekte Inszenierung des modernen Kapitalismus: Die Verantwortung für Misserfolg wird sozialisiert – auf die Arbeiter, die Zulieferer, die Steuerzahler. Der Erfolg jedoch bleibt privat und konzentriert sich auf wenige, die sich dann in ihren Vorstandsetagen die Hände reiben und den Aktionären von „herausfordernden Zeiten“ erzählen.
Der zynische Applaus
Man muss es ihnen lassen: Volkswagen und Blume haben ein feines Gespür für Timing und Inszenierung. Gerade in Zeiten, in denen die Bevölkerung über steigende Energiepreise, Wohnungsnot und soziale Unsicherheit klagt, ist eine Gehaltserhöhung von 5,4 Prozent für den Vorstandschef ein wahrer Geniestreich.
Die Botschaft an die Belegschaft und die Öffentlichkeit ist klar: „Wir alle müssen den Gürtel enger schnallen – aber bitte nur die da unten.“
Der epische Schlussakt
Und so bleibt am Ende dieser Tragikomödie nur die Erkenntnis: Der Kapitalismus ist nicht nur eine wirtschaftliche Ordnung, sondern auch eine Form von Hochkunst. Eine Kunst, die es schafft, Verluste in Gewinne zu verwandeln, moralischen Verzicht in pekuniären Überfluss und kollektive Krisen in individuelle Bereicherung.
Oliver Blume wird auch 2025 seine Millionen kassieren, während die Arbeiter in den Werkshallen weiter um ihre Existenz kämpfen. Und wir? Wir applaudieren zynisch und schauen dem Spektakel weiter zu, als säßen wir in einer römischen Arena.
Brot und Spiele? Nein, nur Blume und Boni.