Schwerter zu Pflugmessern

„SIE werden ihre Schwerter zu Pflugmessern schmieden, und ihre Speere zu Winzermessern; nicht wird Nation wider Nation das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen.“ Diese heilige Verheißung prangt an einer Mauer am UN-Platz in New York, eingraviert für die Ewigkeit, von Generationen bestaunt, von Diktatoren belächelt, von Idealisten bejubelt und von Rüstungskonzernen geflissentlich ignoriert. Es ist die Blaupause der Utopie, der Schlachtruf der Friedensbewegten, das Alibi der Diplomaten und das Mantra derjenigen, die fest daran glauben, dass ein Leopard seine Flecken ablegen kann, wenn man ihn nur oft genug daran erinnert, dass er auch ein Kätzchen sein könnte.

WIE KAPITALISMUS UND PAZIFISMUS EINEN KOMPROMISS SCHLIESSEN

Stellen wir uns für einen kurzen, betörend naiven Moment vor, die Welt folgte diesem biblischen Gebot. Tatsächlich, über Nacht würden Panzer zu Traktoren, Gewehre zu Rebscheren und Flugzeugträger zu luxuriösen, klimaneutralen Kreuzfahrtschiffen mit veganer Vollpension umgebaut. Die Stählerne Fratze des Krieges verwandelte sich in ein filigranes Meisterwerk agrarischer Kunstfertigkeit, die Kriegsministerien würden zu Landwirtschaftsministerien und Generäle zu leitenden Angestellten im Großhandel für Saatgut.

Doch Moment! Hier erhebt sich ein klitzekleines Problem: Wer soll all die neuen Winzermesser und Pflugschare kaufen? Denn, ach, die globalisierte Wirtschaft basiert eben doch auf jenem unscheinbaren kleinen Detail, dass es sich mit Friedensprodukten einfach schlechter spekulieren lässt als mit todbringender Hochtechnologie. Ein Panzer verspricht mehr Rendite als eine Karre Karotten. Ein Tarnkappenbomber hält seinen Wert stabiler als jede handgeschmiedete Weinkelle. So viel zur Harmonisierung von Kapitalismus und Pazifismus.

DER FRIEDE – EIN WIRTSCHAFTLICHES DESASTER

Nehmen wir an, das Wunder geschieht, und plötzlich ist Frieden. Was geschieht dann mit den Millionen Arbeitern in den Rüstungsbetrieben, den Ingenieuren, den Softwareentwicklern, den Lieferkettenmanagern, den Unternehmensberatern, den PR-Spezialisten, den Think-Tank-Vordenkern, den Analysten, den Lobbyisten, den Parlamentariern, die all die kriegstreibenden Budgetentscheidungen unter Tränen fällten? Allesamt arbeitslos! Ganze Nationen würden in den finanziellen Abgrund stürzen. Keine neuen Kriegsgeräte, keine Aufrüstungsdebatten, keine „Mittel zur Sicherung des strategischen Gleichgewichts“. Der Aktienmarkt würde taumeln, Hedgefonds-Investoren würden sich reihenweise von den Dächern ihrer Glasbüros stürzen, und das Bruttosozialprodukt vieler westlicher Nationen würde schneller schrumpfen als ein schockgefrosteter Luftballon.

TIP:  WIR BRAUCHEN KEINE NA(h)TO(d)-ERFAHRUNG

Und was ist mit den Geostrategen, den Kriegsberichterstattern, den Experten für asymmetrische Konflikte? Wo sollen all diese Leute plötzlich hin? Etwa zurück an die Universitäten, wo sie nun statt „Strategien für hybride Kriegsführung“ Kurse über „Biodynamische Landwirtschaft“ halten müssen? Eine Horrorvorstellung!

DIE ERSTE FRIEDENSGIPFELKRISE – WENN KEINER MEHR KRIEGEN WILL

Setzen wir das Szenario fort: Die UNO ruft den „Ersten Globalen Friedensgipfel“ aus, um die friedensbedingte Weltwirtschaftskrise zu diskutieren. Politiker aus aller Welt strömen herbei, um mit finsterer Miene Strategien zu entwickeln. Es gibt Proteste von Gewerkschaften der Waffenindustrie. Ein empörter Delegierter der USA stellt die Frage, ob Friedenspolitik nicht auch als Diskriminierung gegenüber traditionsreichen Waffenschmieden verstanden werden könne.

China kontert: Ohne militärisches Kräftemessen sei der internationale Wettbewerb verzerrt. Russland beklagt den Identitätsverlust seiner Streitkräfte, Frankreich sorgt sich um die Zukunft seiner Fremdenlegion, und Großbritannien bekennt, dass es ohne Kriege schlicht keine attraktiven BBC-Dokumentationen mehr gebe. Eine apokalyptische Vision droht: Eine Welt ohne Krieg, aber in einer nie dagewesenen Depression.

WIE MAN MIT WINZERMESSERN NICHT DIE WELT REGIERT

So wunderbar sich die Idee des Großen Friedens anhören mag – ein friedlicher Planet wäre ein ökonomisches, politisches und identitätspolitisches Desaster. Rüstungsgüter sind, ob man es mag oder nicht, das stabilste Rückgrat vieler Volkswirtschaften. Der Krieg sichert Arbeitsplätze, spült Geld in die Staatskassen und befriedigt den menschlichen Hang zum kompetitiven Wahnsinn.

Und so bleibt die Friedensinschrift an der UN-Mauer ein melancholisches Artefakt, ein ironischer Scherz am Abgrund der Realität, ein frommer Wunsch, der sich wie ein abgewetztes Gebet wiederholt, während irgendwo auf der Welt ein neues Kriegsbudget beschlossen wird.

Aber vielleicht – ja vielleicht – wird eines Tages doch noch ein Gewehrlauf zur Rebschere umgeschmiedet. Man sollte dann wenigstens darauf achten, dass es ein ordentlicher Rotwein wird.

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