Die warme Mahlzeit der Gerechtigkeit

1. Gang: Wie man ein Versprechen verkocht

Es ist eine Ironie von fast schon griechischem Ausmaß: Ausgerechnet Andreas Babler, jener SPÖ-Politiker, der uns mit väterlicher Miene immer wieder versichert hat, dass alle – wirklich alle – Österreicher eine warme Mahlzeit am Tag erhalten sollten, hat nun ausgerechnet den Pensionisten 30 davon gestrichen. 30! Eine Zahl, die je nach Kontext entweder wie ein harmloses Durcheinander an Lotteriezahlen klingt oder das Mindestmaß an Skandalen, das eine österreichische Regierung pro Jahr liefern muss.

Noch am 22. Jänner wetterte er mit voller Empörung gegen genau diese Maßnahme. Der selbe Mann, der sich mit nachdrücklicher Stimme für soziale Gerechtigkeit einsetzte, der nicht müde wurde, die ungerechte Verteilung anzuprangern, spricht nun mit jenen, die solche Maßnahmen als „notwendig“ und „alternativlos“ bezeichnen. Es ist, als würde ein Vegetarier plötzlich Werbung für Steak-Restaurants machen.

Doch das wirklich Faszinierende daran ist nicht die Widersprüchlichkeit – denn Politiker, die von gestern nichts mehr wissen wollen, gibt es in Wien so häufig wie Schlaglöcher nach dem Winter. Nein, faszinierend ist, wie diese Drehung ausgerechnet jenen trifft, die das Fundament sozialdemokratischer Wählerschaft bilden: die Pensionisten. Man könnte fast meinen, die warme Mahlzeit sei plötzlich ein Luxusgut geworden, vergleichbar mit Kaviar oder einer funktionierenden Gesundheitskasse.

2. Gang: Die Sozialdemokratische Diät

Man kann es sich bildlich vorstellen: Die Sitzung, in der dieser Plan beschlossen wurde, muss eine Mischung aus kafkaeskem Bürokratenschauspiel und einer skurrilen Episode von „Dinner for One“ gewesen sein. Da sitzt der Sozialdemokrat, vielleicht mit einem dampfenden Teller Gulasch vor sich, und denkt laut nach: „Wie sparen wir uns durch die nächste Legislaturperiode?“ Und dann die Erleuchtung: „Indem wir den Älteren einfach ein paar warme Mahlzeiten wegnehmen!“

Natürlich ist das nicht die offizielle Begründung. Offiziell wird argumentiert, dass es eine „notwendige Anpassung“ sei. Man kennt diese Sprachverrenkungen ja: Wenn etwas billiger wird, ist es eine „Entlastung“. Wenn etwas teurer wird, eine „Harmonisierung“. Und wenn etwas gekürzt wird, eine „Anpassung“. Die Realität hingegen ist brutaler: Wer 30 Mittagessen weniger hat, kann sich von Worthülsen nichts kochen.

TIP:  Ein maulkorbfähiger Zirkus der Raketen

Man könnte fast vermuten, dass hier eine neue Form der Sozialpolitik erprobt wird: eine Diät für das Volk. Schließlich ist der Verzicht auf warme Mahlzeiten auch eine Form der Resilienzförderung! Und wer weiß – vielleicht entdeckt die Partei in ein paar Jahren, dass man auch die Heizkostenbeihilfe streichen kann, um die Menschen an kalte Winter zu gewöhnen. Wer braucht schon Zentralheizungen, wenn man auch an seinen eigenen Erinnerungen an bessere Zeiten warm werden kann?

3. Gang: Der dampfende Teller und die dampfenden Ohren

Natürlich bleibt die Frage: Ist das nun Verrat an den eigenen Prinzipien oder bloße Hilflosigkeit? Ist Andreas Babler ein tragischer Held, der sich in den Mühlen der Macht aufreibt, oder ein Pragmatiker, der gelernt hat, dass Prinzipien am Buffet des Politischen nur selten satt machen?

Die Antwort ist vermutlich egal, denn für die Betroffenen zählt nur eines: Das warme Essen ist weg. Vielleicht wird nun diskutiert, ob man wenigstens 11 Mahlzeiten zurückgeben kann – als Kompromiss. Vielleicht wird es eine Arbeitsgruppe geben, die in den nächsten Monaten herausfindet, dass Hunger tatsächlich ein Problem ist. Vielleicht kommt irgendwann ein neuer Politiker, der verspricht, dass wirklich jeder eine warme Mahlzeit bekommt, und es in einer Talkshow so überzeugend sagt, dass man fast wieder daran glauben könnte.

Bis dahin bleibt nur eines: Guten Appetit, wer noch einen Teller vor sich stehen hat.

Please follow and like us:
Pin Share