
Eine Stadt im Ausnahmezustand
Es ist wieder soweit: Das idyllische Bergdorf Davos verwandelt sich in eine Festung aus Blaulichtern, gepanzerten Limousinen und temporären Helikopterlandeplätzen. Die Straßen, sonst der Inbegriff alpiner Beschaulichkeit, mutieren zu einem schillernden Laufsteg der Globalisierung, auf dem milliardenschwere CEOs, technokratische Visionäre und politisch Verantwortliche Schulter an Schulter mit Influencern und Lobbyisten flanieren – stets unter dem dezenten Geleit diverser Sicherheitskräfte.
Doch die wahre Magie liegt nicht in den greifbaren Dingen. Nein, sie schwebt wie ein unsichtbarer Duft aus Privatchampagner über dem Kongresszentrum. Es ist das Versprechen, dass hier nicht weniger als die Zukunft der Menschheit diskutiert wird – oder zumindest die Zukunft jener, die sich eine Karte für den inneren Zirkel leisten können.
Eine oxymoronische Liebesgeschichte
Das diesjährige Motto, „Zusammenarbeit für das Zeitalter der Intelligenz“, mutet an wie der Klappentext eines schlecht verkauften Science-Fiction-Romans. Zusammenarbeit? Ja, natürlich, aber nur, solange der andere zuerst kooperiert. Intelligenz? Unbedingt, aber bitte ausschließlich im Sinne einer KI-gestützten Maximierung von Renditen.
Was hier auf Hochglanzfolien mit Buzzwords wie „nachhaltige Innovation“ oder „resiliente Lieferketten“ daherkommt, übersetzt sich in der Praxis oft in: „Wie können wir gemeinsam die besten Steueroasen optimieren?“ Oder: „Welche Algorithmen sorgen dafür, dass der Konsument nie merkt, wie wenig Wert wir ihm tatsächlich zurückgeben?“ Es ist eine beeindruckende Leistung der semantischen Gymnastik, dass sich aus diesen Prämissen immer wieder neue Narrative für die Pressekonferenz destillieren lassen.
Das inoffizielle Rahmenprogramm
Während tagsüber Panels zur Frage stattfinden, wie man die globale Armut bekämpft, geben die Abende eine andere Antwort: Man umgeht sie elegant, indem man sich mit Gleichgesinnten in Private Lounges zurückzieht – und dort ungestört über steigende Gewinnmargen plaudert.
Die vielleicht ehrlichste Branche, die sich zum WEF in Davos einfindet, bleibt dabei die der Escort-Dienstleistungen. Die schillernde Hypokrisie des Forums zeigt sich nirgends deutlicher als hier: Auf den Panels wird über Frauenrechte und Inklusion referiert, während abends dasselbe Publikum in luxuriösen Chalets diskrete Besuche empfängt. Der Umsatz? Bis zu zehn Millionen Dollar – das Zehnfache dessen, was vermutlich in den Workshops zur Armutsbekämpfung realistisch veranschlagt wird.
Dabei haben die Escort-Damen eine unschätzbare Funktion: Sie bieten den Gästen ein Ventil für den Druck, der sich zwangsläufig aufbaut, wenn man tagsüber so viel über das Gemeinwohl reden muss. Man könnte fast sagen: Sie sind das emotionale Backup-System der globalen Elite.
Der Elefant im Raum trägt Prada
Doch natürlich geht es nicht nur um persönliche Eskapaden. Die wahren Dramen spielen sich auf der Bühne der globalen Machtpolitik ab. Der Klimawandel? Dringend! Aber bitte erst, nachdem die neuen Pipelines genehmigt wurden. Künstliche Intelligenz? Bahnbrechend! Allerdings nur, wenn sie die Profitabilität erhöht. Soziale Gerechtigkeit? Unbedingt! Aber nur bis zur Grenze dessen, was Aktionäre tolerieren können.
Es ist ein Schauspiel, in dem niemand wirklich etwas ändern möchte, außer vielleicht die eigene Machtposition. Und so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Davos weniger ein Forum der Lösungen als ein hochdotierter Therapieclub für die Spitzen der Nahrungskette ist.
Eine zynische, aber notwendige Schlussfolgerung
Natürlich wird auch 2025 Davos mit einer wohlformulierten Abschlusserklärung enden, die Worte wie „Hoffnung“, „Verantwortung“ und „Innovation“ wie Bonbons verteilt. Doch wer hinter die Kulissen blickt, erkennt die wahren Mechanismen: Ein globaler Jahrmarkt der Eitelkeiten, auf dem gute Absichten mit kalter Effizienz monetarisiert werden.
Man könnte das alles als zutiefst zynisch abtun. Aber ist es nicht auch ein wenig bewundernswert? Diese unverhohlene Fähigkeit, selbst die schwersten globalen Herausforderungen in eine PR-Strategie zu verwandeln? Vielleicht ist das die eigentliche Intelligenz des 21. Jahrhunderts: Die Kunst, sich selbst treu zu bleiben, während man so tut, als wäre man dabei, die Welt zu retten.
In diesem Sinne: Willkommen in Davos.