Die Rückkehr der Vergangenheit

Österreich, das Land der sanften Hügel, des Kaiserschmarrns und der höflichen Verschwiegenheit, hat sich wieder einmal selbst übertroffen. Nicht etwa in den Disziplinen Innovation, Fortschritt oder, sagen wir, menschliche Vernunft. Nein, es war die Paradedisziplin des österreichischen Politbetriebs: die kunstvolle Selbstsabotage. Mit einer Koalitionsbildung, die klingt wie das Ergebnis eines betrunkenen Dartspiels, tritt nun jene Partei auf den Plan, die selbst ihre Skandale nur noch „Einzelfälle“ nennt, als wäre das politische Leben ein groteskes Bingo-Spiel.

Es ist das Kabinett des Grauens, das uns die verhandelnden Parteien präsentiert haben. Die ÖVP, einst der verlässliche Garant biederer Langeweile, hat die Gelegenheit beim Schopf gepackt und sich für die Zusammenarbeit mit der FPÖ entschieden. Aber nicht, weil sie es wollte – Gott bewahre –, sondern weil „staatspolitische Verantwortung“ verlangt, dass man sämtliche Grundsätze über Bord wirft. Die Neos? Ja, auch sie waren da, kurz und unverbindlich, bevor sie sich in den Nebel des Opportunismus zurückzogen. Die SPÖ? Ein weiteres Kapitel der Tragödie, die sich „Opposition als Prinzip“ nennt.

Kürzungen für alle, außer für die, die es nicht brauchen

Die verpasste Chance der Verhandlungen hätte für das Land ein Signal des Aufbruchs sein können. Stattdessen serviert man uns einen Koalitionsvertrag, der sich liest wie das dystopische Tagebuch eines Wirtschaftsprüfers. Kürzungen bei Lehrer:innengehältern? Natürlich, warum sollten Pädagog:innen auch anständig bezahlt werden, wenn sie nur die nächste Generation ausbilden? Einsparungen im Gesundheitsbereich? Selbstverständlich, denn wer braucht schon Krankenhäuser, wenn man in Österreich auch mit Weihwasser und Schmalzsalben heilt?

Und dann die Erhöhung des Pensionsantrittsalters. Ein Meisterstück des Zynismus! Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, dürfen jetzt noch ein paar Jahre länger schuften, bevor sie endlich in den wohlverdienten, wenn auch mittlerweile unerreichbaren Ruhestand treten. Es ist fast poetisch, wie man hier die Bevölkerung mit dem Klammergriff der Alternativlosigkeit in Schach hält.

Der Arbeitsmarkt: Ein neoliberales Freudenhaus

Besonders bemerkenswert ist die Vision der ÖVP für den Arbeitsmarkt, die man bestenfalls als kafkaesken Albtraum beschreiben kann. Degressives Arbeitslosengeld? Eine glorreiche Idee, die besagt, dass man Menschen umso weniger unterstützt, je länger sie es benötigen. Bildungskarenz und Zuverdienstmöglichkeiten? Weg damit, weil wer sich fortbilden will, ist wahrscheinlich ein Sozialschmarotzer, nicht wahr?

TIP:  Die dunkle Seite der Delfine

Das Arbeitslosengeld – oder das, was davon übrig bleibt – ist nicht mehr als eine Fußnote in der neoliberalen Agenda, die „Leistung“ propagiert, während sie gleichzeitig jede Form von Unterstützung kappt. Und wehe dem, der das Wort „soziale Sicherheit“ in den Mund nimmt – das ist schließlich Kommunismus! Oder schlimmer: Menschlichkeit.

Das Märchen vom Staatsmann

Und wer thront über diesem Misthaufen politischer Hybris? Kein Geringerer als der ewige Statist der österreichischen Politik, der ÖVP-Parteichef Karl-Heinz Stocker. Ein Mann, dessen größte Stärke darin besteht, dass er niemanden sonst im Weg steht, weil er selbst kaum zu sehen ist. Mit der Charisma eines eingestaubten Aktenschranks erklärt er, dass all diese Maßnahmen „alternativlos“ seien. Alternativlos! Das Zauberwort, mit dem man jede Unverschämtheit in die Realität zwängt, bis selbst Orwell vor Scham errötet.

Willkommen in der Realitätsverweigerung

Es bleibt die Frage, wie viel Zynismus eine Demokratie erträgt, bevor sie in sich selbst zusammenbricht. Österreich scheint diese Grenze ausloten zu wollen – mit Nachdruck. Die neue Regierung ist nicht nur ein Rückfall in vergangene Fehler, sie ist ein Affront gegen die Intelligenz der Wähler:innen. Doch keine Sorge, liebe Österreicher:innen, es wird besser! Spätestens dann, wenn das Land den Status eines Museums erreicht hat, in dem die Vergangenheit nicht nur konserviert, sondern wiederbelebt wird.

Die Partei der Einzelfälle regiert. Und die anderen schauen zu. Ein Hoch auf die Verantwortung – in Anführungszeichen natürlich.

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