JESUS 2024

Von Heilsbringern und Vorurteilen

Stellen wir uns vor: Jesus Christus kehrt zurück. Nicht im Strahlenkranz der Offenbarung, nicht auf einer Wolke mit Posaunenklang, sondern ganz unspektakulär, als Jude, Ausländer und arbeitsloser Wanderprediger in Jeans und Sandalen. Eine Figur, die so gar nicht in das Hochglanzbild moderner Selbstoptimierungsstrategien passt. Würde er sich in Österreich blicken lassen, sähen wir bald, wie die politische Landschaft des Landes mit den Werten dieses neuen-alten Propheten zurechtkommt. Und es wäre… sagen wir… aufschlussreich.

Die ÖVP: Von Werten und Verdächtigungen

Die ÖVP, die sich so gern als Verteidigerin christlicher Werte inszeniert, würde mit einem zwiespältigen Blick auf Jesus und seine illustre Gefolgschaft blicken. Ein Jude, der betont, dass die Armen selig seien? Der Geldwechsler aus dem Tempel jagt und predigt, dass Reichtum eine Bürde ist? Und dieser Typ zieht auch noch zwölf Arbeitslose mit sich herum, von denen einige verdächtig nach Ausländern aussehen – einer sogar nach einem bekannten Steuersünder namens Matthäus!

Ein „Gefährder“, würde es heißen. Seine Gruppe, die unermüdlich von Nächstenliebe redet, wird verdächtigt, eine terroristische Organisation zu sein. Schließlich hatte Jesus ja bereits einmal einen gewissen Aufstand ausgelöst – wenn auch vor 2000 Jahren und unter römischer Besatzung. Aber man kann nie vorsichtig genug sein! Ein paar Überwachungsmaßnahmen, ein Verfahren wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“, und das Problem wäre gelöst. Die ÖVP könnte sich anschließend mit einem festlich inszenierten Weihnachtsfest wieder den „echten christlichen Werten“ widmen – also jenen, die man in Marketingkampagnen und Sonntagsreden so gut ausschlachten kann.

Die NEOS: Leistung zählt!

Für die NEOS ist Jesus ein Paradebeispiel für die Absurdität sozialer Romantik. „Fische verteilen statt Start-ups gründen? Brot brechen statt Businesspläne schmieden? Wie ineffizient!“, würde man raunen. Das große Problem mit Jesus ist nämlich seine mangelnde Leistungsbereitschaft.

Er arbeitet nicht, sondern läuft herum und spricht von einem „Reich Gottes“. Das klingt nicht gerade nach einem Business Case, sondern eher nach einer Esoterik-Bubble auf Social Media. Wo bleibt die Wertschöpfung? Was hat er zur Innovationskraft des Landes beigetragen? Und warum gibt er seine Wundertaten nicht als Dienstleistungen in die Gig Economy?

TIP:  Patriotismus für Export

„Herr Jesus, hätten Sie vielleicht Interesse an einem Persönlichkeits-Coaching? Oder einem Mentoring-Programm für Start-up-Gründer?“, würde man ihm anbieten. Doch er lehnt ab. Zu beschäftigt mit Menschenliebe und Spiritualität. Ein hoffnungsloser Fall.

Die SPÖ: Ausbildung, Ausbildung, Ausbildung

Die SPÖ würde sich vermutlich höflich, aber paternalistisch an Jesus wenden: „Tolle Visionen, Herr Christus. Aber haben Sie sich schon einmal Gedanken über eine Ausbildung gemacht?“ Schließlich scheint es doch absurd, dass jemand, der so viel potenziellen Einfluss hat, nicht wenigstens eine solide Berufsausbildung vorweisen kann.

Ein duales Studium in Sozialarbeit und Theologie könnte helfen, seinen Ideen mehr Struktur zu verleihen. Mit ein bisschen politischem Geschick könnte Jesus vielleicht sogar eine Gewerkschaft gründen. Allerdings: Seine Fixierung auf das Individuum und die innere Transformation – das passt nicht wirklich in das Konzept der kollektiven Verteilungskämpfe. Vielleicht doch eher ein Seminar für „Praktische Politik“?


Die FPÖ: Heimreise statt Heiliger Geist

Für die FPÖ ist Jesus in erster Linie eines: Ein Ausländer. Und dann auch noch ein Jude! Womöglich hat er gar keinen Aufenthaltsstatus? Seine Jünger sprechen nicht einmal fließend Deutsch – wie will er sich integrieren? Auch seine radikale Botschaft der Nächstenliebe wird argwöhnisch beäugt: Klingt verdächtig nach Sozialromantik und Multikulti-Propaganda.

„Schluss mit dieser unkontrollierten Wanderpredigt!“, würde man fordern. Stattdessen: Remigration. Natürlich nur zum Schutz der heimischen Bevölkerung, versteht sich. Die FPÖ würde Jesus nicht verteufeln – nein, das wäre viel zu direkt. Sie würde ihn einfach „aus Prinzip“ als Bedrohung der „christlich-abendländischen Kultur“ darstellen und auf den nächsten Abschiebeflug setzen.

Die katholische Kirche: Skandal oder Chance?

Und die katholische Kirche? Man könnte meinen, dass diese Institution, die auf Jesus Christus gegründet ist, ihn freudig willkommen heißen würde. Aber weit gefehlt! Der zurückgekehrte Jesus würde für die Kirche zur PR-Katastrophe.

Ein bärtiger Wanderprediger, der keinen Hehl daraus macht, dass er arm ist und kein Interesse an Machtstrukturen hat – das passt nicht zum glänzenden Gold des Vatikans und den raffinierten Dogmen, die sich über die Jahrhunderte angesammelt haben.

TIP:  Soziale Gerechtigkeit 2024

Man würde ihn wohl eher als Störenfried abtun: „Diese Hippie-Truppe in Sandalen? Unwürdig!“ Die Kirche könnte lauthals den Zerfall der Sitten beschreien, während sie in aller Ruhe darüber debattiert, wie man Jesus für ihre Zwecke instrumentalisieren könnte. Schließlich hat die Reliquienverehrung gezeigt, dass man mit Jesus sogar Geschäfte machen kann: Angeblich hatte er dreizehn Vorhäute – und jede davon wird irgendwo in Europa als „echtes“ Überbleibsel verehrt. Wenn das nicht Unternehmergeist ist!

Ein unpassender Heiland für eine passende Gesellschaft

Es ist eine ironische Tragödie, dass der Jesus, den man heute feiern würde, in seiner historischen Gestalt keinerlei Platz in der modernen Gesellschaft hätte. Er ist zu radikal, zu simpel, zu unbequem. Stattdessen zieht man es vor, ihn in eine harmlose, konsumfreundliche Figur zu verwandeln, die das alljährliche Weihnachtsgeschäft ankurbelt und ein bisschen moralischen Glanz verleiht.

Vielleicht ist es also gut, dass Jesus nicht wiederkommt – nicht, weil er es nicht könnte, sondern weil wir nicht bereit wären, ihm zuzuhören. Und so bleibt uns nur die Vorhaut einer Idee – ein kleines, groteskes Überbleibsel dessen, was mal hätte sein können. Frohe Weihnachten!

Please follow and like us:
Pin Share