War da mal was mit Israel

Wenn das politische Gedächtnis kürzer ist als ein Tweet

Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik – seines Zeichens diplomatischer Jongleur auf dünnem Eis – hat wieder zugeschlagen. Dieses Mal in Beirut, wo er, mit bedeutungsvoller Miene und ein paar strategischen Pausen in der Stimme, die „Entschlossenheit“ der Europäischen Union bekräftigte, die libanesischen Streitkräfte (LAF) zu unterstützen. Doch Moment mal – libanesische Souveränität? Südlibanon? War da nicht mal was mit Israel? Ah, ja! Eine Kleinigkeit, ein Randnotizchen der Geschichte, das sich nun irgendwo zwischen der historischen Aufarbeitung der Kreuzzüge und dem kulinarischen Erbe des Hummus einreiht.

Während Borrell also die Verteidigung der libanesischen Souveränität gegen äußere Bedrohungen betont, kommt einem der Verdacht, dass sein Gedächtnis in etwa so selektiv arbeitet wie ein Algorithmus, der es irgendwie geschafft hat, „Hisbollah“ komplett aus der Datenbank zu löschen. Stattdessen wird ein „unprovozierter israelischer Angriff“ auf eine LAF-Stellung mit dem Pathos eines Shakespeare-Monologs verurteilt – als ob die libanesische Armee plötzlich das letzte Bollwerk für Freiheit, Demokratie und die Rettung der EU-Werte sei.

Dabei lacht sich eine gewisse Miliz im Hintergrund ins Fäustchen, denn während die EU verzweifelt versucht, den Libanon als Modellstaat der Stabilität zu promoten, tanzt die Hisbollah längst auf den Trümmern dessen, was man dort einmal „Staatsgewalt“ nannte.

Europa und die Kunst des politischen Schielens

Die EU, dieses fragile Gebilde aus 27 Nationen und 1.000 Eitelkeiten, ist bekannt für ihre Fähigkeit, in geopolitischen Krisen in beide Richtungen gleichzeitig zu schauen – und dabei doch nichts zu sehen. Während Borrell also die libanesische Armee lobt, vergessen wir kurz, dass dieselbe LAF kaum in der Lage ist, eine Straßensperre ohne vorherige Rücksprache mit der Hisbollah aufzustellen. Denn wer kontrolliert den Südlibanon tatsächlich? Spoiler: Es sind nicht die Jungs in den offiziellen Uniformen.

Doch diese unbequeme Wahrheit wird in Brüssel geflissentlich ignoriert. Stattdessen wird die „Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats“ hervorgekramt – ein verstaubtes Dokument aus einer Zeit, in der die internationale Gemeinschaft noch so tat, als könne man Frieden durch Fußnoten und diplomatische Paragraphen herbeizaubern. Die Realität? Die Resolution ist im Südlibanon etwa so durchsetzbar wie das Tempolimit auf deutschen Autobahnen – existiert theoretisch, wird praktisch aber regelmäßig missachtet.

TIP:  Nur eine Frage des Geschmacks

In der Zwischenzeit klopft die EU der LAF auf die Schulter, als hätte sie soeben den Nahen Osten befriedet, und blinzelt gleichzeitig Richtung Iran, dessen Einfluss über die Hisbollah den Libanon längst zur de facto Kolonie gemacht hat.

Der Libanon als Schachbrett und Israel als Sündenbock

In den feinen Kreisen europäischer Diplomatie gibt es eine unausgesprochene Regel: Wenn es kompliziert wird, mach Israel verantwortlich. Es ist fast schon ein Reflex. Dass der „unprovozierte Angriff“ auf eine LAF-Stellung in einem Kontext von wachsenden Spannungen, grenzüberschreitenden Angriffen und einer hisbollah-gesteuerten Eskalationsstrategie stattfand? Nebensächlich. Dass die Hisbollah de facto Kriegsherr im Südlibanon ist und regelmäßig Raketen auf israelisches Territorium abfeuert? Nun, warum diese Details bemühen, wenn man eine klarere, einfachere Erzählung haben kann?

Borrells Empörung über die libanesische Souveränität, die von Israel angeblich mit Füßen getreten wird, erinnert an einen Zuschauer, der bei einem Wrestling-Match nur die Schlussszene sieht und sich dann empört darüber äußert, dass einer der Kämpfer auf dem Boden liegt – während er ignoriert, dass der andere ihm vorher einen Stuhl über den Kopf gezogen hat.

Die Tragikomik ist perfekt: Israel, das sich gegen eine radikale Miliz verteidigt, die nicht nur das eigene Volk, sondern auch die libanesische Bevölkerung als Schutzschild benutzt, wird zum Schurken stilisiert. Der Libanon wird zum Opfer verklärt, obwohl er sich längst dem Einfluss der Hisbollah ergeben hat. Und Europa? Es wedelt mit Resolutionen und tut so, als ob man in Brüssel tatsächlich noch glaubt, dass der Libanon eine unabhängige Außenpolitik verfolgt.

Die stille Freude der Hisbollah

Man muss sich die Szene vorstellen: Während Borrell in Beirut seine Unterstützung für die LAF beteuert, sitzt irgendwo in den Tiefen eines schummrigen Raums ein Hisbollah-Kommandant, trinkt Tee und schüttelt den Kopf vor Lachen. Die Hisbollah hat, ohne einen Finger zu rühren, das erreicht, was sie wollte: ein internationales Narrativ, das Israel als Aggressor darstellt und den Libanon als hilfloses Opfer.

TIP:  Das Orban-Phänomen

Dass die Hisbollah selbst der wahre Feind der libanesischen Souveränität ist? Ignoriert. Dass sie das Land ökonomisch, politisch und militärisch unterjocht hat? Geschenkt. Stattdessen lässt man die LAF und die EU als politische Marionetten agieren, während die Miliz die Fäden zieht.

Ironischerweise haben sich die libanesischen Streitkräfte, die von der EU angeblich so sehr gefördert werden, längst mit der Hisbollah arrangiert. Sie teilen dieselben Checkpoints, dieselben Gebiete, manchmal sogar dieselben Ziele. Die Unterstützung, die Borrell also verspricht, landet entweder direkt oder indirekt in den Händen derjenigen, die Europa angeblich bekämpfen will.

War da mal was mit Israel?

Am Ende bleibt die Frage: War da mal was mit Israel? Ja, da war etwas – aber das Narrativ, das Borrell und die EU erzählen, dreht sich nicht um komplexe Realitäten, sondern um einfache Schuldzuweisungen. Israel ist in dieser Geschichte immer der Täter, während der Libanon als Opfer stilisiert wird, obwohl er längst zur Geisel der Hisbollah geworden ist.

Die EU beweist damit erneut ihre unnachahmliche Fähigkeit, in einem Meer von Grautönen stur Schwarz-Weiß zu malen. Während man in Brüssel Resolutionen zitiert, die niemand befolgt, und Pressekonferenzen abhält, die niemand interessiert, wächst die Macht der Hisbollah im Schatten dieser Farce weiter. Und Israel? Es bleibt die ewige Zielscheibe einer geopolitischen Doppelmoral, die Europa längst zur Meisterschaft gebracht hat.

Die Kunst der Verdrängung

„War da mal was mit Israel?“ ist nicht nur eine rhetorische Frage, sondern eine Diagnose. Sie beschreibt eine europäische Außenpolitik, die Konflikte nicht lösen, sondern lediglich verschleiern will. Statt sich der Realität zu stellen – nämlich dass der Libanon längst unter der Kontrolle einer radikalen Miliz steht – flüchtet man sich in die bequeme Erzählung vom bösen Israel und der unschuldigen libanesischen Armee.

Die Wahrheit bleibt unausgesprochen: Solange die Hisbollah das Sagen hat, ist jede europäische Unterstützung für den Libanon bestenfalls naiv und schlimmstenfalls mitschuldig. Aber warum sich mit solchen Feinheiten aufhalten, wenn man stattdessen auf Pressefotos mit einem General posieren kann, der nicht einmal sein eigenes Hauptquartier ohne Erlaubnis der Hisbollah betreten darf?

TIP:  Ein Staat im Staate

Quellen und weiterführende Links

  1. Borrell, Josep. „Unterstützung der libanesischen Streitkräfte.“ Erklärung auf X, 2024.
  2. UN Resolution 1701. Veröffentlicht 2006.
  3. Nahost-Analysen: „Die Rolle der Hisbollah im Südlibanon.“ 2023.
  4. Jerusalem Post: „Die EU und ihre Doppelmoral im Nahost-Konflikt.“ Artikel vom 25.10.2024.
  5. Al-Arabiya: „Hisbollahs wachsende Macht in der libanesischen Politik.“ 2023.
Please follow and like us:
Pin Share