Energiepolitik Made in Germany

Der steile Aufstieg und rasante Fall zweier Schornsteine

Es war der 19. November 2015, als Olaf Scholz, damals noch Bürgermeister von Hamburg, mit einem Lächeln, das irgendwo zwischen Stolz und diplomatischer Anspannung schwebte, das Kohlekraftwerk Moorburg eröffnete. Ein Kraftwerk, das mit seinen imposanten Türmen, seinen Milliardenkosten und seiner vermeintlich blendenden Zukunftsvision wie eine technoide Kathedrale der deutschen Energiepolitik wirkte. Drei Milliarden Euro, verkündete Scholz mit jenem triumphierenden Ton, den Politiker bei Großprojekten anschlagen – bevor sie ahnen, wie diese enden.

Fast neun Jahre später, am 10. November 2024, stand Scholz, mittlerweile Bundeskanzler, nicht weit entfernt, als die gewaltigen Schornsteine desselben Kraftwerks in sich zusammenfielen – ein kontrollierter Abriss, der sinnbildlich für die deutsche Energiepolitik steht. Zwischen den zwei Olaf-Scholz-Momenten liegen keine Jahrzehnte, sondern lediglich sechs Jahre Betrieb und eine Energiepolitik, die man am besten als Parodie ihrer selbst bezeichnen könnte. Deutschland, Land der Ingenieure und Philosophen, hat es geschafft, ein funktionierendes, modernes Kohlekraftwerk mit einem Preisetikett in Milliardenhöhe zuerst zu feiern, dann stillzulegen und schließlich zu pulverisieren – in weniger Zeit, als manche Autobahnprojekte in Anspruch nehmen.

Von der Kohle zu den Wolken – die große grüne Wette

„Moorburg kompensiert Windstille und Wolkendecke“, lautete 2015 die nüchterne Begründung für den Bau des Kraftwerks. Windstille und Wolkendecke – das klingt harmlos, beinahe poetisch. Aber was der damalige Bürgermeister meinte, war nichts anderes als das ungelöste Rätsel der deutschen Energiewende: Wie man ein Industrieland zuverlässig mit Strom versorgt, während Windräder im Hochsommer Pause machen und Solarpanels im Winter zu Schneeskulpturen werden.

Deutschland, voller Tatendrang, beschloss, genau diese Frage mit einem der modernsten Kohlekraftwerke der Welt zu beantworten. Aber dann kam, was immer kommt: der politische Wetterwechsel. 2020, mitten in einem kollektiven CO₂-Bußeifer, wurde Moorburg stillgelegt. Ein Schicksal, das es sich mit Deutschlands Atomkraftwerken teilt, die ebenfalls in die ewige Verdammnis geschickt wurden – nicht, weil sie ineffizient oder gefährlich waren, sondern weil das ökologische Gewissen des Landes plötzlich allergisch auf alles reagierte, was nicht sofort „grün“ leuchtete.

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Der moralische Überbau: Kohlestaub und Gewissen

Deutschland ist ein Land der Prinzipien. Und wenn es eines liebt, dann das: Opfer zu bringen. So gesehen ist die Sprengung von Moorburg nicht nur ein Akt politischer Konsequenz, sondern ein sakraler Moment. Man stelle sich Olaf Scholz vor, wie er im Geiste murmelt: „Schau, Greta, wir haben verstanden!“ Der Doppel-Schornstein fällt – und mit ihm der symbolische Rest unserer energiepolitischen Vernunft.

Natürlich, die offiziellen Gründe sind unbestritten nobel: Klimaschutz! Dekarbonisierung! Zukunft! Doch in der Realität stellt sich die Frage, welche Zukunft Deutschland anstrebt, wenn es sich energetisch in die Hände von Wind und Sonne begibt, während es gleichzeitig die Pipeline mit russischem Gas sprengt – naja, metaphorisch, versteht sich. Die Vision einer „grünen Energiezukunft“ gleicht einer Hollywood-Produktion: große Bilder, starke Emotionen, aber ein Drehbuch voller Logiklöcher.

Import statt Innovation

Moorburg könnte heute elf Terawattstunden Strom liefern – fast den gesamten Bedarf Hamburgs. Stattdessen importiert Deutschland zunehmend Strom aus Frankreichs Atomkraftwerken und Polens Kohlemeilern. Ja, die deutschen Stromleitungen sind wahrlich eine Reise wert: von der Braunkohle über die Kernspaltung hin zur norddeutschen Steckdose.

Der deutsche Energiesouveränitätstraum ist inzwischen so realistisch wie ein Einhorn, das in einem Tesla-Werk Solarstrom tankt. Während Deutschland die eigene Industrie mit immer höheren Energiepreisen stranguliert, reiben sich die Nachbarn die Hände: „Ihr habt da ein modernes Kraftwerk, das stillsteht? Danke, wir übernehmen!“ Dass diese Importe mit einem höheren CO₂-Fußabdruck einhergehen als Moorburg selbst, wird elegant übersehen. Aber wer zählt schon Moleküle, wenn er moralisch im Recht ist?

Symbolpolitik mit Sprengkraft

Die Sprengung der Moorburg-Schornsteine könnte in die Geschichtsbücher eingehen – als endgültiger Höhepunkt eines energiepolitischen Dramas, das keine Helden kennt. Es ist schwer, den ironischen Subtext zu ignorieren: Ein Land, das einst für Ingenieurskunst und Pragmatismus bekannt war, wird zum Meister des Rückwärtsgangs. Milliarden werden verbrannt, nur um dann symbolisch noch einmal in die Luft gejagt zu werden. Man stelle sich die Energiekrise von 2035 vor, wenn Historiker über Moorburg schreiben: „Es war da, und dann war es weg.“

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Eine düstere Zukunft oder doch nur ein dunkler Scherz?#

Natürlich könnte man argumentieren, dass die deutsche Energiepolitik langfristig ein leuchtendes Vorbild für die Welt ist. Aber für den Moment leuchtet in Deutschland nicht viel. Jeden Winter dieselbe bange Frage: Wird der Strom reichen? Dieselben Appelle zum Sparen: weniger heizen, weniger beleuchten, weniger nachdenken – alles für das Klima!

Moorburg ist ein Mahnmal für all das, was an der deutschen Energiepolitik falsch läuft: der Hang zur Überbürokratisierung, die fatale Liebe zur Symbolpolitik und der politische Wankelmut, der Projekte wie Moorburg erst ermöglicht und dann pulverisiert. Und während die Schornsteine von Moorburg zu Staub zerfallen, bleibt nur eine Frage: Woher, Deutschland, willst du eigentlich deinen Strom beziehen, wenn die nächste Krise kommt? Aus dem Lichte von Solarzellen im Novembergrau? Aus dem Windhauch, der deine Windräder im Flachland umgibt? Oder doch einfach aus dem Gedächtnis – jener grenzenlosen Energiequelle, aus der du all deine guten Ideen beziehst?


Quellen und weiterführende Links

  • Tagesschau: Sprengung des Kohlekraftwerks Moorburg
  • Hamburger Abendblatt: Rückblick auf die Energiepolitik Hamburgs
  • Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Energiewende im Fokus
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